Der Ausbau der Bundesstraße 30 ist ein Thema, das die Ortschaft Reute-Gaisbeuren, insbesondere die Ortsteile Reute und Gaisbeuren und die Raumschaft seit den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts bewegt.
Schon Anfang der 1950er-Jahre legte die damals noch selbstständige Gemeinde Gaisbeuren der Straßenbauverwaltung erste Anträge vor. Zunächst wurde der Versuch unternommen, eines (teil-)planfreien Ausbaues. Die Zielsetzung war es Querungsmöglichkeiten für die Landwirtschaft zu schaffen. Doch die Bitte stieß bei den zuständigen Behörden auf taube Ohren. Das Verkehrsaufkommen stieg in der noch jungen Bundesrepublik rasant. Nach späteren Informationen des damaligen Bürgermeisters Oskar Stollsteiner beantragte um 1958 die Gemeinde die Festlegung einer Trasse für Ortsumgehungen für Enzisreute und Gaisbeuren. Diese Planung lehnte die Straßenbauverwaltung ab. Es wurde bezweifelt, dass dafür je ein Bedarf bestehen könne.
Im Laufe der folgenden sechs Jahrzehnte, kam ein Ausbau nicht zustande. Vielmehr kam es zu diversen Zwischenlösungen, vor allem immer dann, wenn der Verkehr zusammenzubrechen drohte. So kam es in den 1970er-Jahren zu einem Ausbau der Ortsdurchfahrten Gaisbeuren und Enzisreute mit Begradigung der Ortsdurchfahrten und Abriss von Gebäuden. Dies, obwohl vonseiten des Bundes eine Umfahrung gewünscht und zunächst mit hoher Dringlichkeit im Bundesgesetz vorgesehen war. Nach dem Ausbau der Ortsdurchfahrten kam es im Bundesverkehrswegeplan 1980 zu einer Abstufung in die niedrigste Dringlichkeit. Die Verkehrsprobleme waren immer noch nicht gelöst. Nun sah der Bundestag einen autobahnähnlicher Ausbau durch die Orte Gaisbeuren und Enzisreute vor. Von einer Umfahrung war nicht mehr die Rede. Da der Bund und das Land nur eine geringe Dringlichkeit sahen, kam es zu keinen weiteren Planungen. Bis zum Jahr 2016 herrschte Stillstand.
Seit Jahren gehören die Ortsdurchfahrten Gaisbeuren und Enzisreute zu den höchsten belasteten Ortsdurchfahrten in Deutschland. Bis zu rund 26.200 Fahrzeuge im Durchschnitt pro Tag, davon rund 3.800 Lkw fuhren bei der letzten bundesweiten Verkehrszählung im Jahr 2021 durch die beiden Orte. Auf der Verkehrsachse Ulm–Friedrichshafen ist Gaisbeuren heute einer der größten Stauschwerpunkte. Gaisbeuren und Enzisreute sind zudem die Orte mit der höchsten Verkehrsbelastung der Bundesstraße 30.
Bund bestätigt hohe Bedeutung
Die B 30 ist eine der wichtigsten Hauptverkehrsachsen in Deutschland. Das Bundesministerium für Verkehr bestätigt, dass die B 30 „im oberschwäbischen Raum die wichtigste Nord-Süd-Verbindung“ ist. Die B 30 ist der südliche Teil der dritten Nord-Süd-Straßenhauptverbindung in Baden-Württemberg - die einzige Verbindung im Land, die nicht durchgängig ausgebaut ist und zudem durch Ortschaften und Gemeinden führt. Die B 30 ist die Nord-Süd-Hauptverkehrsachse im Südosten von Baden-Württemberg. Die beiden anderen Nord-Süd-Straßenhauptverbindungen in Baden-Württemberg sind seit Jahrzehnten fertiggestellt und als Autobahn A 5 und A 81 gewidmet. Die A 7 und A 96 umfahren die Region überwiegend auf bayerischem Gebiet und verbinden die wirtschaftlichen Zentren und großen Städte im Südosten von Baden-Württemberg nicht. Diese Funktion übernimmt die B 30. Die Bundesstraße 30 gehört nicht umsonst zu den stärksten befahrenen Bundesstraßen in Deutschland.
Trotz immenser Belastung wegen mangelhaftem Ausbau überlastet
Die B 30 ist bei Gaisbeuren und Enzisreute während der Hauptverkehrszeiten, morgens und abends häufig überlastet. Teilweise bilden sich Staus bis auf das Gebiet der benachbarten Gemeinde Baindt zurück.
Das Problem beschränkt sich nicht nur auf die Region, mit Nachteilen für den Wirtschaftsstandort und Tourismus. Die Anwohnerinnen und Anwohner in Enzisreute und Gaisbeuren leiden seit Jahrzehnten unter der enormen Verkehrs-, Lärm-, Abgas- und Staubbelastung. Die B 30 teilt die Ortsteile Gaisbeuren und Enzisreute in zwei Teile. Das Überqueren der Fahrbahn dauert oft lange und ist vor allem für Kinder, Ältere und Kranke oft gefährlich. Auch die Einfahrt aus Seitenstraßen ist problematisch. Zudem weicht in den Stoßzeiten Verkehr auf Wohngebiete und den Ortsteil Reute aus und belastet dort unnötigerweise die dort lebenden Anwohnerinnen und Anwohner.
Unzureichende Verkehrssicherheit
Jedes Jahr kommt es auf der B 30 zu zahlreichen schweren Unfällen. Berüchtigt ist der Streckenabschnitt im Waldgebiet zwischen dem Ortsteil Enzisreute und dem Egelsee. Insgesamt weist der Streckenabschnitt der Bundesstraße 30 bei Gaisbeuren und Enzisreute die höchste Anzahl schwerer Unfälle, mit der höchsten Anzahl schwer Verunglückter, zwischen Ulm und dem Bodensee auf.
Zukünftige Entwicklung
Neuere Gutachten und Untersuchungen gehen davon aus, dass sich die Situation an der B 30 noch verschärfen wird. Die Verkehrsstudie Ost des Regionalverbandes Bodensee-Oberschwaben geht davon aus, dass es zu großräumigen Verkehrsverlagerungen von der A 96 zur B 30 kommen wird, nach dem die Ortsumgehung Ravensburg seit Dezember 2019 fertiggestellt ist und nun weiter nach Friedrichshafen ausgebaut werden soll. Zudem planen die Regionen Bodensee-Oberschwaben und Donau-Iller diverse neue Gewerbegebiete im Einzugsbereich der Bundesstraße 30. Durch die gute wirtschaftliche Lage verzeichnet die Region weiterhin eine Bevölkerungszunahme, wodurch auch die Verkehrsbelastung steigt.
Das Umweltbewusstsein gewinnt seit einigen Jahren in der Bevölkerung wieder eine größere Bedeutung: Der Fokus verschiebt sich zunehmend von der Straße auf die Schiene, den öffentlichen Verkehr und das Fahrrad. Doch was in den Städten offenbar zu funktionieren scheint, zeigt im ländlichen Raum nur geringe Effekte. Auf absehbare Zeit wird es im ländlichen Raum nicht möglich sein, alle Orte mit einem derart guten alternativen Verkehrsangebot auszustatten, dass die Belastung realistisch auf ein Niveau sinken wird, das Straßen überflüssig macht. Zudem fahren auch Busse und Car-Sharing-Fahrzeuge und Taxen auf Straßen. Viele auf Bundes- und Landesebene diskutierten Maßnahmen zielen vor allem auf größere Städte und Metropolen ab. Was in der Stadt funktioniert, bereitet im ländlichen Raum mit oft weiten Wegen und einem deutlich schlechter ausgebauten Verkehrsnetz Probleme: Im ländlichen Raum fehlen für ein derartig gutes alternatives Angebot die finanziellen Möglichkeiten. Daneben fehlt eine realistische Lösung für den alternativen Gütertransport. Nicht alle Güter lassen sich ohne weiteres auf die Schiene verlagern und es ist auch nicht möglich jeden Ort mit der Bahn anzufahren. Realistischerweise wird die B 30 als Landes-Hauptverkehrsachse immer stark befahren sein.
Was wir tun
Fachleute sind sich einig, dass eine nachhaltige Verbesserung an der B 30 dringend notwendig ist. Nach dem in den letzten Jahren diverse Zwischenverbesserungen durchgeführt wurden, zeigt sich immer mehr, dass eine endgültige Lösung nur noch durch einen Ausbau mit Verlegung außerhalb der Orte möglich ist. Verkehrsexperten sind sich einig, dass wegen der sehr hohen Belastungen nach dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik keine andere Lösung besteht, um die Probleme dauerhaft zu beheben.
Ein großes Anliegen war es der Ortschaft Reute-Gaisbeuren deshalb, dass der Ausbau der B 30 zwischen dem Egelsee und Bad Waldsee als Ortsumgehung Gaisbeuren und Ortsumgehung Enzisreute in den Bundesverkehrswegeplan 2030 in eine vordringliche Kategorie mit Planungsrecht aufgenommen wird. Um die Chancen für diese Aufnahme zu erhöhen, hat das Regierungspräsidium Tübingen die hierzu beste Anmeldetrasse erarbeitet und im Sommer 2013 vorgelegt. Die Ortschaftsräte Reute und Gaisbeuren haben sich einstimmig für die West-Trasse als Anmeldetrasse ausgesprochen.
Auch aufgrund der großen Unterstützung, die wir erstmals seit Jahrzehnten erfahren durften und dem großen Engagement der örtlichen „Initiative B30“, entsprach im Jahr 2016 der Deutsche Bundestag dem Wunsch auf Aufstufung in die höchste Dringlichkeit: Das Projekt „B030 Enzisreute-Gaisbeuren“ wurde in den "Vordringlichen Bedarf" im Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen aufgenommen - der höchsten Dringlichkeit. Damit besteht erstmals seit den 1970er-Jahren wieder die Möglichkeit seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland eine nachhaltige Lösung zu erreichen.
Das für die Planung zuständige Regierungspräsidium Tübingen hat die Planungen schließlich im November 2022 aufgenommen. Mit Stand 2022 werden die Planungen 15 bis 20 Jahre dauern. Das Regierungspräsidium Tübingen informiert auf einer Webseite über den Planungsfortschritt.
Ein großes Thema, das vor allem Bürgerinnen und Bürger des Ortsteils Reute bewegt, ist die Frage auf welcher Trasse die B 30 neu geführt wird. Diese Frage kann noch niemand beantworten: Die konkrete Trasse ergibt sich aus der Planung und wird nach und nach in den nächsten Jahren erarbeitet. Das Regierungspräsidium hat eine gute Bürgerbeteiligung angekündigt und will über wesentliche Planungsfortschritte informieren. Zunächst werden alle relevanten Belange untersucht, unter Einhaltung des geltenden europäischen und nationalen Rechts. Eine Planung ist deshalb eine komplexe und schwierige Angelegenheit. Aus Sicht der Ortschaft Reute-Gaisbeuren ist es wünschenswert, eine Tunnellösung für Gaisbeuren durchzusetzen. Wir sind davon überzeugt, dass die Tunnellösung die richtige Lösung für Reute-Gaisbeuren ist.